Weihnachten allein

Veröffentlicht am 10. Dezember 2025 um 17:30

Weihnachten allein - Weihnachten ohne familiären Kontakt

Autor: Sabine Heller

 

Weihnachten, das Lächeln der Lichter, kein Duft von Zimt und Tannennadeln – und noch darüber hinaus eine Stille, die schwer auf meiner Brust liegt. Für mich ist es die Zeit, in der das Herz langsamer schlägt, weil es weiß, dass dies nicht die Geschichte ist, die ich von mir und meiner der Familie erzählen wollen würde. Statt gemeinsamer Rituale gibt es Leere, statt Fragen nach Plänen nur die Frage danach, wann es sich ändern wird.

Heute frage ich mich nicht mehr, was ich getan habe, dass die Tür zu Gesprächen verschlossen hat. War es kein falsch gesagter Satz, keine unausgesprochene Verletzung, kein Unterschied, der zu groß schien? Nein, das Problem war, dass ich nicht so wein wollte, wie man es von mir erwartet hat. Ein Freigeist, der sagte, was er dachte. Jemand der durch sein Sein allein störte und sich nicht den Erwartungen angepasst hat. Für andere das Problem, was entsorgt werden musste, weil die Worte und Fragen an sie rüttelte. Bin die Frau geworden, die selbst dachte und handelte. Es klingt noch wie Hohn in meinen Ohren, wie mir kurz vor dem Kontaktabbruch zu meiner Mutter und Familie sie zu mir an meinem 54 Geburtstag sagte, „Du machst ja nicht, was man dir sagt!“ Und doch bleibt da dieser winzige Funken Hoffnung, der flackert: Dieser Abstand kein Urteil über meinen Selbstwert, sondern der, der nötig war, um zu verstehen, es war nicht mein Selbstwert gefragt und insbesondere meine Selbstaufgabe, mit der ich nicht dienen konnte und wollte.

Und da so nun auch kein Kontakt zu Weihnachten besteht, wird Weihnachten für mich von Jahr zu Jahr eine Zeit der inneren Stille. Warte, dass die Zeit schnell vorüber geht, um mit voller Kraft ins nächste Jahr zu starten. Viele Kerzen brennen zu dieser Zeit in meiner Wohnung. Der Tee ersetzt das Wasser, dass ich sonst trinke. Meine Gedanken mehr bei denen, die mit dieser Zeit noch weniger zurechtkommen als ich selbst. Wie kann ich denen helfen, die mit dieser Situation noch nicht zu recht kommen?

Es gibt kein „Wir“. Stattdessen gibt es ein „Ich“ – und dieses Ich verdient Respekt, Wärme und Aufmerksamkeit. Die Traurigkeit und die Enttäuschungen sind dem Verständnis gewichen, warum es so kommen musste. Es entstand für mich die Erkenntnis, dass die Situation für mich besser ist, als mich für meine Familie den Rest des Lebens verbiegen zu müssen. Doch die Sehnsucht nach Nähe – sie gehört weiter zu mir wie jeder Atemzug.

Was ich noch zu dieser Zeit in der Stille finde, ist Klarheit: Was brauche ich jetzt wirklich? Was gibt mir noch mehr Sicherheit, was schenkt mir jetzt Frieden? Ich suche nach kleinen Momenten des Glücks, die nicht von der Zustimmung anderer abhängen. Ein ruhiger Nachtspaziergang, eine Playlist, die mir Geborgenheit schenkt, ein Brief an die Zukunft, in dem ich mir versichere, dass ich da bin – für mich.

Vielleicht öffnet sich irgendwann wieder eine Tür. In den letzten Jahren fand ich neue Verbindungen, die mich so nehmen, wie ich bin – mit all meinen Geschichten, Wunden, Narben und wunderbaren Ecken. Bis dahin bleibe ich bei mir, atme tief durch, lasse Gefühle zu, ohne mich von ihnen verschlingen zu lassen, und erinnere mich: Weihnachtszeit muss kein Spiegel der Vergangenheit sein, sondern ein Raum, in dem ich mich neu erkennen kann.

Und letztlich kann ich dem Kontaktabbruch doch einiges Gutes abringen. Meine Gesundheit hat sich wesentlich verbessert. Ich schlafe viel besser. Die Depressionen, die ich früher hatte, haben sich mit meinem Verständnis und meinen Erkenntnissen in Luft aufgelöst. Ich muss nicht mehr den Frage hinterherjagen: WARUM man so viele Jahre mich in der Familie wie eine Aussätzige behandelte.

Ich habe es verstanden. Ich habe verziehen und vergeben. Ja, ich habe sogar ein gewisses Verständnis für meine Familie entwickelt. Und im Nachhinein finde ich, dass nicht ich zu bedauern bin, sondern sie. Weil sie nicht andere Perspektiven einnehmen können und in ihrem Tunnelblick verharren, weil sie die Augen vor den Ursachen verschließen und nicht verstehen können. Und am Ende wird es einen meiner Nichten, Neffen, Kinder oder Enkel treffen, denen es ähnlich ergehen wird wie mir. Und wer weiß, vielleicht suchen und finden sie dann durch unsere Selbsthilfegruppen die Hilfe, die ich damals nicht fand?

Sich wollten mich brechen. Klein sehen und verletzen. Auch wenn man denken mag, sie haben mich aus ihren Leben verbannt, bleibe ich durch meine ehrenamtliche Tätigkeit ständig und immer wieder zugegen. So bin ich in ihrer Umgebung jetzt größer und präsenter als je zu vor. Und darauf bin ich ein wenig stolz. Wer das ähnlich erlebt oder erlebte, es ändern möchte, zu sich zukommen will, wieder ins Leben zu finden, es ist möglich!

Es gibt nicht den Knopf oder die Lösung. Es braucht Zeit und Geduld. Und wer weiß, … Jedem Anfang liegt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben (Hesse).

Ich wünsche jedem von Herzen, der das liest und einen Weg sucht, wieder neu ins Leben zu starten und allein den Weg nicht schafft, nimm mit uns Kontakt auf. Du musst nicht allein damit zurecht kommen. 

 

Trotz allem, ich wünsche jedem eine gute Zeit zu dieser Zeit.

Siehe hier

 

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